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Prof. Dr. Christian Kücherer von der Hochschule Reutlingen über neue Lehrformate und die Gründe warum er 2021 mit dem Lehrpreis der Hochschule ausgezeichnet wurde.

BildDie Corona Krise ist längst noch nicht vorbei. Abstand halten, Maske tragen, Impfen, Anzahl der Personen pro Raum usw. Die Einschränkungen in vieler Hochschulen gelten mindestens noch bis Anfang April. Normaler Unialltag sieht andres aus.

Dass die Einschränken nicht zwangsläufig zu einer Verschlechterung der Lehre führen müssen, zeigte die Umfrage des Centrums für Hochschulentwicklung im Herbst. Demnach beurteilten 85 Prozent aller Masterstudierenden an der Fakultät Informatik der Hochschule Reutlingen den Umgang und die Studienbedingungen unter Corona Bedingungen an der Hochschule Reutlingen als sehr gut oder gut. Doch wie hat die Fakultät Informatik in Reutlingen diesen sehr guten Wert geschafft? Einer der es wissen sollte ist Prof. Dr. Christian Kücherer. Der Informatik Professor lehrt im Studiengang Medien- und Kommunikationsinformatik und Medizinisch-Technische Informatik und wurde im Herbst für seine innovative Lehre mit dem Lehrpreis der Hochschule Reutlingen ausgezeichnet.

Herr Kücherer was ist aus ihrer Sicht hat die wichtigste Voraussetzung für ein gutes lehren.?

Nach meiner Philosophie begegne ich Studierenden auf Augenhöhe: Gute Lehre ist Coaching. Ich freue mich am meisten über Studierende, die kritische Rückfragen stellen, wie zum Beispiel „Herr Kücherer das ist doch gar nicht so. Ich habe noch kein Projekt erlebt wo es so war!“. Genau solche Fragen machen eine Lehrveranstaltung interessant und spannend. Diese Fragen muss man zulassen.

Aber sie sind doch der Lehrer. Wenn jemand ihre Thesen in einer Veranstaltung hinterfragt – geht das überhaupt? Sie sollten es doch wissen und Recht haben.

So einfach ist das nicht. Ich finde Engagement ist die Schlüsselqualifikation um Informatik zu lernen und sich dafür dann auch zu begeistern. Und wer sich für etwas begeistert, wird es auch gleichzeitig immer kritisch hinterfragen und genau hier fängt eine gute Diskussion an. Man kann so herausfinden wo das Problem besteht, wie es gelöst werden kann. Oft sind Lösungen auch kontextabhängig und es gibt nicht die eine richtige Lösung oder objektive Wahrheit.

Gibt es denn keine Wahrheit?

Lassen Sie es mich so sagen. Eine gute Diskussion ist von großer Sachlichkeit und einem guten Wissen geprägt. Ich kann aufgrund meines Wissens und meiner Erfahrung sehr gut argumentieren und so Thesen widerlegen oder bestätigen.
Wir reden in der Informatik oft über Unsichtbares, wie Software oder Daten. Um darüber wirklich gut diskutieren zu können ist es hilfreich diese nicht sichtbaren Dinge auf einer Tafel als Modell zu visualisieren. Es geht also darum abstrakte Dinge verständlich darzustellen. Das ist für mich ein ganz wichtiges Grundprinzip, wenn wir über schwierige, strittige Fragen diskutieren.
Bei dieser Art der Kommunikation mit den Studierenden lerne auch ich meine eigenen Ansichten zu hinterfragen und komme auch zu neuen Erkenntnissen. Für mich sind neue Einsichten keine Fehler, sondern wirklich schöne Lernkurven in denen ich feststelle, das Dinge nicht immer sind, wie wir es selbst denken.

Geht gute Kommunikation denn in Corona Zeiten auch so?

Ehrlich gesagt bin ich froh, wenn wir Lehre in Präsenz haben. Bei den Onlineformaten ist das Feedback nicht so gut. Man erkennt am Bildschirm die Gestik und Mimik der Studierenden meist nicht. Masken sind dabei auch eben nicht wirklich hilfreich, wenngleich aktuell notwendig.
Die Corona Maßnahmen erzeugen ja eine gewisse Distanz. Mir ist es daher seitdem besonders wichtige enge Kommunikationsbeziehungen anzubieten. So baue ich den Online-Veranstaltungen immer wieder break-out Sessions ein um Gespräche in kleinen Gruppen mit drei bis vier Personen zu führen. Darüber hinaus bitte ich die Studierenden auch während der Corona Zeit soweit es geht meine Sprechstunde online oder in Präsenz zu nutzen statt mir meine E-Mail oder Message zu senden. In Zeiten von Corona und Online-Lehre bleiben viele Fragen der Studierenden unbeantwortet, auch weil der Kontakt auf dem Gang fehlt. Das müssen wir Dozierende abfangen.

Nun geht eine enge Kommunikation ja nicht immer, z.B. in Seminaren mit 30 oder 40 Teilnehmern. Was machen Sie damit es trotzdem interessant bleibt?

Ich setze zu einen auf das Konzept des Blended Learning. Hierbei werden verschiedene Lernformate miteinander kombiniert. Meine Seminare bestehen daher immer aus einem Mix von praktischen Übungen und Modellierungsaufgaben, die die Studierenden selbst vorbereiten müssen und die wir dann an den Whiteboards gemeinsam entwickeln.
Zum anderen nutze ich so oft wie möglich das Konzept Inverted Classroom. Hier werden die grundlegenden Aktivitäten der klassischen Vorlesung umgedreht. Dabei müssen die Studierenden sich selbst den Stoff der Vorlesung zuhause oder in Gruppen aneignen. Im Seminar diskutieren wir dann über diese Inhalte, gehen den Punkten nach, die unverständlich oder unklar geblieben sind und wenden sie nach Möglichkeit in praktischen Szenarien an, also sehr dicht an der späteren Anwendung.

Und woher wissen sie dann, ob die Studierenden auch wirklich alles verstanden und gelernt haben?

Neben den Klausuren am Ende eines jeden Seminars können die Studierenden auch anonym ihr Feedback zur Veranstaltung geben. Dieses Feedback der Studierenden war ja eine Grundlage für die Verleihung des Lehrpreises der Hochschule und für mich immer sehr wichtig. Man zweifelt ja auch immer an sich selbst. Plötzlich nimmt die Teilnahme an den Vorlesungen ab, die Gründe bleiben oft aber im Unklaren.
Wenn man dann aber in dem Feedback zur Veranstaltung ein sehr positives Fazit liest und die Studierenden schreiben, dass immer alle Fragen beantwortet wurden, selbst wenn sie mehrfach gestellt wurden, dann ist es eine Bestätigung, dass man doch auf dem richtigen Weg ist. So gesehen war der Lehrpreis der Hochschule eine tolle Bestätigung für mich.

Und was begeistert Sie an der Informatik? Wenn ich sie richtig verstehe, sind sie jemand der sehr auf Kommunikation setzt. Bei Informatik gibt es ja immer wieder das tradierte Bild von Nerds und Tekkis die quasi tagein tagaus allein vor dem Rechner sitzen.

Ich bin überhaupt kein Tekki oder Nerd und auch kein Mathefreak, was InformatikerInnen ja auch oft nachgesagt wird. Für mich ist Informatik ein People Business. Informatik würde nicht existieren, wenn wir nicht mit den Menschen reden. Informatikanwendungen können wir nur programmieren, wenn wir verstehen was die Anwender brauchen, wie diese ticken. Früher wurden Softwarelösungen oft an den Bedürfnissen der Menschen vorbei programmiert. Die ersten Handys waren ohne eine Bedienungsanleitung nicht wirklich zu bedienen. Auch Computer waren im Grundsatz schrecklich kompliziert in der Anwendung. Heute haben wir Softwarelösungen die sich intuitiv bedienen lassen. Eine klassische Bedienungsanleitung gibt es nicht nur bei Smartphones zum Glück nicht mehr. Man stellt es an und ahnt gleich wie es funktioniert. Dieser Fokus auf den Menschen wird in der Informatik immer wichtiger und deswegen liegen wir mit unseren anwendungsorientierten Studienfächern genau richtig.

Prof. Dr. Kücherer. Herzlichen Dank für das GesprächInformatik ist ein People Business

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