Wer dem kapitalistischen Narrativ glaubt, dass „der Markt“ von Angebot und Nachfrage bestimmt wird, stellt in der Regel die Millionen Werbebotschaften nicht in Rechnung, mit denen jeder moderne Kulturmensch sein Leben lang zum Konsum angeregt wird.
Eine weitere künstliche Einflussnahme auf „Den Markt“ findet über die Börsen der Welt statt, was durch das Beispiel der täglich mehrfach in Deutschland wechselnden Benzinpreise sehr deutlich wird. Alle Maßnahmen des heutigen Konzern-Kapitalismus zur Steuerung des Marktes beeinflussen nicht nur das Angebot und die Nachfrage, sondern auch das gesamte Marktgeschehen erheblich. Mit einer natürlichen Selbstregulierung von Angebot und Nachfrage hat das heutige Marktgeschehen daher nur noch wenig zu tun. Vielmehr verwirklicht der Markt heute eine eingespielte zentralistisch gesteuerte wirtschaftliche und politische Programmatik, die für jeden Menschen ein künstliches „Kulturschicksal“ bedeutet.
Wir finden in der Kulturgeschichte viele Beispiele dafür, dass ein übermächtig gewordener Kulturadel ein absolutistisches und zentralistisches Machtstreben der diktatorischen bzw. der tyrannischen Art in die Umsetzung gebracht hat. Diese Versuche waren jeweils von einer medialen Agenda begleitet, um das Weltbild der betroffenen Völker entsprechend „positivistisch“ zu stimmen. Sobald dadurch der Weg zur Entwicklung eines Machtmonopols in der Kultur geebnet war, hat sich das Machtstreben der Kulturherren wie bei einer kanzerösen Entwicklung auf eine bodenlose Weise potenziert. Die dadurch entstandene grenzenlose Polarisierung von Macht und Ohnmacht hat am Ende alle zentralistischen Machtentwicklungen der religiösen, politischen und wirtschaftlichen Art durch eine einsetzende Kulturkrise scheitern lassen. Dennoch hat der Mensch aus diesen Entwicklungen bis heute nicht die erforderlichen Schlüsse gezogen, so dass auch der heutige Mensch in der Gefahr ist, ein weiteres derartiges „Kulturschicksal“ zu vollziehen.
Auch der frühe „liberale“ Kapitalismus hat ein bodenloses absolutistisches Machtstreben in allen davon betroffenen Kulturen entfesselt, so dass daraus unter anderem die schweren Krisen des 1. und 2. Weltkrieges im 20. Jahrhundert entstanden sind. Die Frage, die sich der Mensch daher heute stellen muss, lautet, weshalb das gegenwärtige Machtstreben eines zentralistischen und absolutistischen Konzern-Kapitalismus mit einer neoliberalen Religion zu einem anderen Endergebnis führen sollte, als das in der Vergangenheit stets der Fall war? Auch heute finden wir eine ständig sich intensivierende Spaltung in den Kulturen zwischen Arm und Reich, die darauf hinausläuft, dass immer weniger Kulturherren einer steigenden Masse an Menschen gegenüberstehen, die ohnmächtig in strukturellen „Sachzwängen“ gefangen sind und dadurch auf eine indirekte Weise zu Leibeigenen von unbekannten Kulturherren werden.
Mit dem „Washington Consensus“ von 1984 ist eine neue neoliberale politische und wirtschaftliche Agenda entstanden, die bis heute durch eine großzügige „liberal-parasitäre“ Erfolgsreligion zu einer zunehmenden Machtkonzentration in der Politik und in der Wirtschaft geführt hat. Dabei wurde „der Erfolg“ als solches derart heilig gesprochen, dass man noch heute Geschäftsleute, denen es gelingt, andere Menschen „über den Tisch zu ziehen“ als „Teufelskerle“ bezeichnet und ihnen auf die Schultern klopft. Wer darüber einmal etwas eingehender nachdenkt, der erkennt darin einen äußerst destruktiven asozialen Kultus, der die sozial-symbiotische Natur des Menschen für unwichtig erklärt und ein parasitäres Verhalten per se verherrlicht. Dadurch ist ein „liberal-parasitärer“ Kapitalismus seit der Jahrtausendwende immer „selbstverständlicher“ geworden. Bis heute ist der Mensch dafür in einer geradezu hartnäckigen Weise blind geblieben und hat seine zunehmende Funktionalisierung zu einem Zahnrädchen einer globalen wirtschaftlichen Mega-Maschine akzeptiert. Die Folge ist eine immer selbstverständlicher werdende globale Produktion, in der Pflanzen, Tiere und Menschen gleichermaßen „verbraucht“ werden.
Der Mensch darf sich daher auch nicht wundern, wenn die heutigen kulturellen Beziehungsverhältnisse immer mehr ins Bodenlose und Unhaltbare abgleiten, da die Völker einen „liberal-parasitären“ Konzern-Kapitalismus sanktionieren, immunisieren und finanzieren, der in den letzten 35 Jahren zu einem Karzinom der Sozial-Gesellschaft und der Natur der Erde geworden ist. Notwendig wird dadurch der Mensch, der sich mit einer solchen Kultur „identifiziert“ zu einer Metastase dieses Karzinoms und entwickelt Tendenzen für eine untergründige Selbstzerstörung.
Wir finden heute in der neoliberalen Agenda des Konzern-Kapitalismus ein neuartiges Narrativ der traditionellen religiösen Pädagogik von Belohnung und Bestrafung vor, das sich relativ unbemerkt in das Bewusstsein vieler Menschen eingeschlichen hat: „wer faul ist, wird bestraft, wer fleißig ist, wird belohnt“. Dieses Narrativ löst sich heute zusehends auf, da in einem „liberalen“ Konzern-Kapitalismus ein Mensch der sogenannten Unterschicht so fleißig sein kann wie er will, er lebt trotzdem jeweils am Rande des Existenzminimums. Das Streben nach einer zentralisierten absolutistischen oligarchischen Macht beinhaltet zwangsläufig die Bedingung, dass der „einfache“ Mensch jeweils so wenig wie möglich und nur so viel wie unbedingt nötig für die Aufrechterhaltung seines Lebens bzw. seiner Arbeitskraft erhält. Diese ungeschriebene neoliberale Logik wird zusätzlich durch die offiziellen ökonomischen Prinzipien untermauert: 1. Mit bestimmten Mitteln ein maximales Ergebnis erreichen. 2. Ein bestimmtes Ziel mit dem geringstmöglichen Aufwand zu erreichen.
So kommt es, dass der Mensch bereits seit 35 Jahren trotz einer wachsenden Weltwirtschaft mit stagnierenden Löhnen haushalten muss und mit einer fortschrittlichen sozialen Kälte konfrontiert ist, die sich mitunter bis zu dem Argument verirrt: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“. Auch in der politischen Gestaltung der Kultur hat sich seit der Verwirklichung der neoliberalen Religion immer mehr eine asoziale Agenda durchgesetzt. Seit der Jahrtausendwende erhält der in Not geratene Mensch nur noch so wenig wie möglich und nur noch so viel wie unbedingt nötig an Sozialhilfe durch „normal“ gewordene neoliberale Richtlinien. Diese überaus harte, asoziale Denkungsart ist bereits im afrikanischen Kolonialismus entstanden, wobei hier die wahre Natur der „liberal-kapitalistischen“ Gesinnung deutlich hervorgetreten ist. Die imperialistischen Herrscher haben in Afrika die Brotbäume gefällt und die natürlichen Nahrungsquellen zerstört, um die Afrikaner zu einer geregelten Arbeit zu zwingen. Wenn dies nichts half, wurden noch härtere Maßnahmen ergriffen, wie etwa das Abhacken einer Hand (Belgisch-Kongo) oder andere „effiziente“ Methoden.
In der ersten Zeit der Kolonialisierung konnten die Afrikaner nicht durch schöne Worte dazu gebracht werden, das verdiente Geld zu sparen, da die Afrikaner keine Angst vor der Zukunft kannten. Vor der Kolonialisierung war kein Afrikaner durch Hunger oder Obdachlosigkeit gefährdet, da eine entsprechende soziale Hilfeleistung und Gastfreundschaft in allen afrikanischen Stammesgemeinschaften ein ungeschriebenes Gesetz und damit eine Selbstverständlichkeit war. Die Anwendung von Gewalt, das Zerstören der natürlichen Nahrungsquellen und die Trennung der Menschen voneinander waren daher in Afrika eine unverzichtbare Voraussetzung, um ein „liberal-parasitäres“ kapitalistisches Wirtschaftssystem in Gang zu setzen. Erst durch diese Erkenntnis wird deutlich, von welcher Art und Gesinnung der „liberale“ Kapitalismus war und ist und welche erheblichen destruktiven Folgen er für alle Gesellschaften zeitigt, die in ihn ein blindes Vertrauen setzen.
Wir können die Hauptintention des „liberalen“ Kapitalismus als eine alles vereinnahmende Gier nach einer absolutistischen Macht und Herrschaft über alle jeweils zur Verfügung stehenden Rohstoffe und Lebensformen begreifen. Aus dieser verheerenden Zielsetzung ist den betreffenden „Herrenmenschen“ eine bodenlose Sucht nach „immer mehr“ Macht und Profit entstanden, so dass der heutige Kapitalismus eine definitive Gefahr für eine menschliche Selbstzerstörung generiert. Wir können bereits seit 150 Jahren von einem karzinogenen Konzern-Kapitalismus sprechen, der seit der Jahrtausendwende ein immer gefährlicher werdendes wirtschaftliches Machtstreben in den westlichen Gesellschaften verfolgt und in allen Gesellschaften der Welt angeregt hat. Dieses affektive, zur Sucht gewordene Streben zerrt heute schwer an der menschlichen Natur und an der Natur der Erde.
Da der einfache Mensch darauf zunehmend mit einem totalitären Rückzug ins Private reagiert hat, überlässt sich ein Großteil der Menschen heute einem kanzerösen Kapitalismus und nimmt eine schleichende fortschrittliche Degeneration der Gesellschaften einfach hin. Ohne eine natürliche Emanzipation von unten ist der heutige Mensch daher bereits ein verlorener Mensch.
Da man eine destruktive Kulturentwicklung wie alle Problemstellungen richtig einschätzen lernen muss, um sie aufheben zu können, ist die Frage durchaus wichtig, durch welche kulturellen Entwicklungen der „liberale“ Konzern-Kapitalismus zu einem derartig wirksamen kulturellen Komplex werden konnte. 2005 kommt eine Spiegel-Film-Dokumentation mit dem Titel „The Corporation“ diesbezüglich zu der Feststellung, dass die amerikanischen Konzerne, die bis heute eine globale kapitalistische Vorbildfunktion haben, vor allem durch 2 richterliche Entscheidungen des obersten Gerichtshofes eine alles beeinflussende Macht in Amerika bzw. in der gesamten westlichen Kultur erreicht haben.
Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) wurde der 14. Zusatz zur amerikanischen Verfassung beschlossen, der allen Schwarzen und anderen Minderheiten unveräußerliche Persönlichkeitsrechte zugestand, um das Aufkommen von neuen sklavenähnlichen Beziehungen in Amerika zu unterbinden. Daraufhin haben die amerikanischen Unternehmer darauf bestanden, dass auch Firmenkonstrukten, wie etwa der GmbH oder der Aktiengesellschaft, die mehrere Gesellschafter vereinen, eine eigene „Persönlichkeit“ mit kulturellen Rechten und Pflichten zugestanden wird, um eine bessere gesellschaftliche Verkehrsfähigkeit zu erreichen. Dieser Rechtsstatus wurde den Unternehmen schließlich nach langem Ringen durch den obersten Gerichtshof in Amerika zuerkannt. Durch diese richterliche Entscheidung konnten sich die amerikanischen Unternehmer von der bis dato vorherrschenden strengen staatlichen Regulierung in Amerika immer mehr befreien, so dass es in Amerika zu dem Phänomen einer Monopolisierung der Macht in vielen Wirtschaftsbereichen kam. Die dadurch entstehenden Wirtschaftsmogule wurden nicht zu Unrecht in Amerika als „Robber Barons“ bezeichnet.
Die zweite verheerende Entscheidung des obersten Bundesgerichtshofs von Amerika betraf und betrifft die Patentierung von Lebewesen als Konzerneigentum in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Der Präzedenzfall dafür wurde mit dem Versuch geschaffen, künstlich erzeugte Mikroorganismen zu patentieren. Ein solches Patent wurde vom obersten Gerichtshof nach mehreren Berufungsverfahren erteilt. Dadurch setzte ein Run auf die Patentierung von tierischen und pflanzlichen Genen ein, so dass schließlich auch der Antrag für die Patentierung einer Maus genehmigt wurde. Diese grundsätzliche Veräußerung des Lebens an die Konzerne ist bis heute nur durch ein Verbot für die Patentierung von menschlichen Genen beschränkt geblieben.
Heute können wir feststellen, dass die Beschlüsse des Obersten Gerichtshofes von Amerika zu einem kulturellen Dammbruch für eine bodenlose Vereinnahmung des irdischen Lebens durch die Konzerne geführt haben. Dadurch fällt heute allen Kulturmenschen eine ebenfalls selbstverständlich gewordene unverschämte technische Vereinnahmung des Menschen durch die Konzerne und durch eine neoliberal agierende Staatsmacht auf die Füße. Diese Vereinnahmung erfolgt seit der Jahrtausendwende auf leisen Sohlen, indem die Konzerne und der Staat dem Einzelnen durch immer mehr Datenerhebungen und durch immer mehr bürokratische Sachzwänge wertvolle Lebenszeit und Lebensenergie rauben, so dass aus dem Menschen nach und nach wie von selbst ein Leibeigener der Kultur wird.
Dadurch sind die Konzerne immer mehr zu Göttern einer schönen neuen kapitalistischen Kulturwelt geworden, da sie sich eine rahmenlose „liberale“ Kulturwelt geschaffen haben, in der alles erlaubt ist, was nicht verboten ist. Bis heute sind die Konzerne per Gesetz nur den Interessen ihrer Anleger und ihrer Finanziers verpflichtet, nicht aber der Gesellschaft und auch nicht der Natur der Erde. Die Macht, die die Konzerne dadurch erreicht haben, bedeutet heute, dass das „Persönlichkeitsrecht“ eines Konzerns hunderttausendfach schwerer wiegt als das Persönlichkeitsrecht eines Menschen. Dadurch hat der „kleine Mann“ in einer nachvollziehbaren Weise keine wirkliche Chance, sich gegen die Macht eines Konzerns erfolgreich durchzusetzen. Kommt der Mensch daher heute nicht zu einem natürlichen Verstand und erkennt die Tragweite dieser vereinnahmenden und überwältigenden „liberal-parasitären“ Wirtschafts- und Kulturpolitik nicht, dann hat der Mensch notwendig keine natürliche bzw. lebenswerte Zukunft mehr vor sich.
Das Streben nach Freiheit und nach der „biologischen“ Wahrheit sind gerade wegen einer gegenwärtigen Kulturwelt der Lügen, Halbwahrheiten und Scheinheiligkeiten die wirksamsten Instrumente, die der „einfache“ Mensch zur Anwendung bringen kann, um eine soziale und biologische Gesellschaftsorganisation zu erreichen. Nur dadurch kann der Mensch seine gegenwärtige, äußerst tragische kulturelle Betriebsblindheit gezielt beenden und seine Lebensgestaltung in einer wirksamen Weise verändern.
Eine weiterführende Beschäftigung mit dem Thema des Artikels ermöglichen die Bücher: „Die Geschichte der kulturellen Fehlentwicklung“, „Die Befreiung von der Standeskultur“ und „2035 – Der Mensch schafft die Menschlichkeit ab“ Informationen dazu finden Sie auf der Internetseite: www.die-befreiung-von-der-standeskultur.de
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Friedensforscher und Autor
Wolfgang Hauke
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