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Wie beeinflussen AKW-Abschaltungen und die zunehmende Kohle-Verstromung die Erreichbarkeit der Klimaziele?

BildAm 15. April 2023 wurden in Deutschland die letzten in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke vom Netz genommen. Vorausgegangen war eine Verlängerung der Laufzeit, weil zum Ende der geplanten Abschaltung Ende 2022 Engpässe in der Energieversorgung wegen der Folgen des Ukraine-Krieges befürchtet worden waren.

Der Wegfall des deutschen Atomstroms hat gleich in mehrerer Hinsicht schwerwiegende Folgen für die Klimaziele. Der Verzicht auf den mit vergleichsweise geringem CO2-Ausstoß erzeugten Atomstrom und die zunehmende Verstromung von Kohle sollen einer Studie der Universität Stuttgart zufolge einen Zuwachs von rund 15 Millionen Tonnen des Treibhausgases bedeuten.

Experten gehen davon aus, dass der Wegfall der Kernenergie vor allem durch stärkere Kohleverstromung und mehr Strom aus Gaskraftwerken kompensiert werden muss. Diese Energie aus fossilen Brennstoffen belastet die CO2-Bilanz der deutschen Stromerzeugung – und damit auch die deutschen Klimaschutzverpflichtungen.

Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) relativieren dagegen den Wegfall des vermeintlich sauberen Atomstroms. Sie betonen, dass Atomkraft weder CO2-frei ist noch die CO2-ärmste Art der Energieerzeugung darstellt.

Tatsächlich fallen bei der Erzeugung von Atomstrom 33 Gramm CO2 pro KWh an. Bei den fossilen Energieträgern sind es zwar deutlich mehr: Bei der Verstromung von Braunkohle 1.034 Gramm CO2 pro KWh, bei der Steinkohle 864, beim Erdgas 117. Doch die Werte für erneuerbare Energien liegen deutlich niedriger als beim Atomstrom: Strom aus Photovoltaikanlagen schlägt nur mit 9 Gramm CO2 pro KWh zubuche, Windkraftstrom Offshore liegt bei 7 Gramm CO2 pro KWh, Windkraft Offshore bei 4 Gramm CO2 pro KWh, und bei Wasserkraft fallen keine CO2-Emissionen an.

Ähnlich verhalten sich übrigens auch die Größenordnungen für die Kosten der Stromerzeugung sowie die Folgekosten für Gesundheit, Umwelt und Klima nach einer Berechnung des Fraunhofer Instituts. Der Ausstieg aus der Atomkraft könnte nun neue Impulse für Deutschland setzen, indem frei werdende Mittel zum Beispiel für den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien eingesetzt werden, für neue Gaskraftwerke und die Förderung von Innovation im Bereich der Wasserstoff-Technologie.

Im deutschen Energiemix hatte der Atomstrom zuletzt nur noch eine vergleichsweise geringe Rolle gespielt. 2022 stammten nur rund 6,5 Prozent des erzeugten Strom aus den letzten verbliebenen AKWs. Bereits 2019 war der Ausstieg nach der Atomkatastrophe in Fukushima von der Bundesregierung beschlossen worden.

Für die deutschen Klimaziele stellen der Ausstieg aus der Atomkraft und die Zunahme der Kohleverstromung einen bedeutenden Einschnitt dar. Die EU hat sich 2019 verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dazu sollte der Netto-Ausstoß von Treibhausgasen um mindestens 55 Prozent bis 2030 (im Vergleich zum Jahr 1990) gesenkt werden.

Den jüngsten Zahlen der Statistikbehörde Eurostat zufolge hat die EU ihre CO2-Emissionen bislang lediglich um 33 Prozent gegenüber 1990 verringert, und dabei sind die durch Corona bedingten Rückgänge bereits eingerechnet. Mit dem weltweit größten Gesetzespaket zum Klimaschutz „Fit for 55“ hat die Europäische Kommission 2021 konkrete Vorschläge gemacht, wie die wie die europäische Wirtschaft klimafreundlich umgebaut werden kann, und was die einzelnen Sektoren der Wirtschaft dazu beitragen sollen.

Ganz oben auf der Liste der Vorschläge steht dabei der Handel mit Emissionsrechten. Er gilt als das wichtigste politische Instrument zur Verlangsamung der globalen Erderwärmung. Damit soll der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 schneller reduziert werden, als bisher vorgesehen, und zwar um 62 Prozent im Vergleich zu 2005 statt wie bisher angestrebt um nur 43 Prozent.

Zu diesem Zweck soll die Zahl der Verschmutzungszertifikate verringert und der Preis erhöht werden. Kostenlose Verschmutzungsrechte, die bisher der europäischen Industrie zustanden, sollen bis 2034 komplett gestrichen werden. Außerdem soll das Emissionshandelssystem auf die Schifffahrt und innereuropäische Flüge ausgeweitet werden, und voraussichtlich ab 2028 auch auf große Müllverbrennungsanlagen.

Ein zweiter Kohlenstoffmarkt für Gebäudeheizungen und Straßenkraftstoffe könnte 2027 europaweit auch Privathaushalte treffen, die dann einen CO2-Preis auf Kraftstoffe und Erdgas oder Heizöl zahlen müssten. In Deutschland gilt das bereits seit 2021, sogar in einer ambitionierteren Form, als in der EU vorgesehen.

Mit den Mitteln aus dem Emissionshandel könnte ab 2026 schließlich auch ein Klimasozialfonds aufgelegt werden. Bei weiter steigenden Energiepreisen sollte dieser Fonds die Folgen der Energiewende mildern, vor allem für Haushalte und Unternehmen, die besonders von hohen Energiepreisen betroffen sind. Rund 87 Milliarden Euro sollen dafür aus dem Emissionshandel zur Verfügung stehen, ergänzt durch Beiträge der Mitgliedstaaten.

Letztlich dürften die Folgen von Atomausstieg und zunehmender Kohleverstromung den Druck vor allem auf die Ausgestaltung des Emissionshandel erhöhen. Als eines der wichtigsten Instrumente zur Reduzierung der Emissionen erhoffen sich Klimaforscher vor allem von zwei aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich einen Durchbruch. Der Wegfall der freien Zuteilungen der CO2-Zertifikate sowie der Emissionshandel für Gebäude und Verkehr könnten Emissionsreduzierungen ermöglichen, die sonst in weiter Ferne bleiben würden.

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