Die Proteste der Letzten Generation spalten derzeit das Land. Eine Forderung der Klimaaktivisten ist die Einrichtung eines Gesellschaftsrates.
Diesen Anspruch sieht der Leiter der Beratungsstelle für Nachhaltige Entwicklung und Change Management, Dennis Riehle (Konstanz), kritisch. Der Politik- und Kommunikationsberater meint, dass solch ein paralleles Gremium mit mehreren Grundsätzen der Verfassung kollidieren wird: „Insofern halte ich es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Und eine Änderung oder Ergänzung unserer Repräsentativen Demokratie bräuchte dann eine deutliche Verfassungsmehrheit im Bundestag, um die Weichen für eine solche Institution zu schaffen. Prinzipiell steht solch einem Vorschlag nichts im Weg, wenn er auf legitimierte Weise umgesetzt wird. Durch Erpressung einer oligarchisch anmutenden Minderheit lässt sich eine Reform unseres momentanen Systems sicherlich nicht realisieren, zumal die gesellschaftliche Zurückhaltung gegenüber der Idee ja durchaus zurückhalten ist. Und das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass viele Menschen die Klimaveränderung zwar als eine Herausforderung, allerdings nicht als Notstand ansehen. Daher scheint es aus Sicht einer Mehrheit auch keine Rechtfertigung zu geben, dem Aufstand einer bestimmten Bevölkerungsgruppe nachzugeben. Denn ein Gesellschaftsrat wäre eine Verlegenheitslösung, weil manche Teil der Bürgerschaft dem Bundestag und den Landesparlamenten nicht zutrauen, Politik in ihrem Sinne zu machen“, so der 37-jährige Journalist vom Bodensee.
„Doch eine Demokratie und ein freiheitlicher Rechtstaat können sich nicht von einzelnen Mitgliedern nötigen lassen. Denn auch der Versuch, ein solches Gremium stellvertretend und auch proportional zu den einzelnen Gesellschaftsschichten durch zufällige Auswahl ihrer Mitglieder zu besetzen, wird dem Repräsentationsprinzip aus Art. 38 GG nicht gerecht werden können. Die Anforderungen sind klar, dass eine solcher Vorgang nur durch eine allgemein zugängliche Wahl entschieden werden kann, damit jeder Bürger gemäß des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 GG dieselben Chancen hat, seinen Vertreter in solch einen Rat schicken zu können. Und letztlich muss man auch prinzipiell einmal fragen, inwieweit solch ein Schattenparlament im Grundgesetz überhaupt vorgesehen ist. Denn die erforderliche Legitimationskette aus Art. 20 Abs. 2 der Verfassung ist für mich bei solch einem Experiment, welches auch die Bundestagspräsidentin mit der Einberufung eines ,Bürgerrates“ sehr selbstbewusst und wenig eigenreflektiert eingeht, nicht wirklich eingehalten worden. Und abschließend müssen wir ohnehin den Ansatz bis zum Ende denken und attestieren: Wenn das Schule machen würde und wir bei jedem Problem, das nicht in unserem Sinne durch gewählte Volksvertreter gelöst wird, einen neuen Kreis von Laien oder Experten in den Stand der Legislative erheben würden, höhlten wir unser bisher eigentlich gut funktionierendes System relativ willkürlich und nach Beliebigkeit aus“, schlussfolgert der Berater für Nachhaltige Entwicklung.
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