1. Problemstellung
Die österreichischen Kapitalgesellschaften, und zwar die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Aktiengesellschaft (AG), sollen mit 1.11.2023 um eine neue, modernisierte Kapitalgesellschaftsform ergänzt werden. Mit dem Gesellschaftsrechts-Änderungs-Gesetz 2023 (GesRÄG 2023) soll den langjährigen Forderungen der Wirtschaft nach einem flexibleren, unbürokratischeren Gesellschaftsrecht Rechnung getragen werden. Die neue „Flexible Kapitalgesellschaft“, die fortan auch unter dem englischen Begriff „Flexible Company“ oder „FlexCo“ auftreten darf, soll als Mischform der GmbH und AG besonders Start-Ups Erleichterungen bei der Neugründung und Etablierung auf dem internationalen Markt bringen.
2. Was ist eine FlexKap?
Die FlexKap ist wie die GmbH und AG eine Kapitalgesellschaft, bei der im Regelfall nicht die Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen für Gesellschaftsverbindlichkeiten haften. Vielmehr werden Gesellschafter mit Stammeinlagen am Stammkapital der FlexKap beteiligt, wobei das Stammkapital den Haftungsfonds für Gesellschaftsgläubiger darstellt.
Rechtsgrundlage der neuen Gesellschaft ist neben dem subsidär anzuwendenden GmbH-Gesetz das neue Flexible-Kapitalgesellschaften-Gesetz (FlexKapGG), das besondere Abweichungen der FlexKap vom Recht der GmbH festlegt. Viele dieser besonderen Abweichungen entsprechen Bestimmungen des Aktienrechts. Somit stellt die FlexKap eine Zwischenform der GmbH und AG dar.
Wesentliche Unterschiede zur GmbH sind unter anderem die Möglichkeit der Mitarbeiterbeteiligung im Rahmen sogenannter „Unternehmenswert-Anteile“, der geringe Mindestbetrag für die Stammeinlagen von lediglich einem Euro und die Erweiterung der Finanzierungsmöglichkeiten der Gesellschaft.
3. Wie gründet man eine FlexKap?
Als Kapitalgesellschaft steht die FlexKap auch der Gründung durch eine Person – als sogenannte Einpersonengesellschaft – offen. In diesem Fall ist auch die Errichtung der FlexKap in „vereinfachter“ Form über das Unternehmensserviceportal möglich.
Das GesRÄG 2023 sieht für die FlexKap ein Mindeststammkapital von EUR 10.000,00 vor; auf diesen Betrag soll parallel das Mindestkapital der GmbH gesenkt werden, sodass das aktuelle Mindeststammkapital von GmbHs von EUR 35.000,00 ab November dieses Jahres Geschichte sein dürfte. Auf das ermäßigte Stammkapital sind bei Gründung mindestens EUR 5.000,00 in bar zu leisten. Mit anderen Worten wird die Errichtung einer FlexKap (ebenso wie einer GmbH) jenen eröffnet, die Barmittel von mindestens EUR 5.000,00 aufbringen können oder wollen.
Die Beteiligung an der Gesellschaft soll mit einem Mindestbetrag der Stammeinlage der einzelnen GesellschafterInnen von EUR 1,00 bereits in sehr geringem Ausmaß möglich sein. Das stellt einen gewissen Vorteil gegenüber der GmbH dar, die eine Mindeststammeinlage von EU 70,00 verlangt.
Zu beachten sind umgekehrt strengere Voraussetzungen in Bezug auf die Pflicht zur Bestellung eines Aufsichtsrats in der Gesellschaft. Da der FlexKap typische Gestaltungsmöglichkeiten der Aktiengesellschaft offenstehen (Mitarbeiterbeteiligung, Erweiterung der Finanzierungsmöglichkeiten), hat diese verpflichtend einen Aufsichtsrat zu bestellen, wenn in zwei auf einander folgenden Geschäftsjahren zwei der drei folgenden Merkmale überschritten werden, nämlich (a) EUR 5 Millionen Bilanzsumme, (b) EUR 10 Millionen Umsatzerlöse oder (c) 50 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt. In FlexKaps wird daher eher eine Verpflichtung zur Einrichtung eines Aufsichtsrats gegeben sein, als in GmbHs.
4. Einführung von „Unternehmenswert-Anteilen“
Eine bedeutende Neuerung der Flexiblen Kapitalgesellschaft im Vergleich zur GmbH ist die Möglichkeit, neben herkömmlichen Geschäftsanteilen sogenannte „Unternehmenswert-Anteile“ auszugeben. Diese vermitteln Unternehmenswert-Beteiligten wie gewöhnlichen Gesellschaftern Teilhabe am Bilanzgewinn und am Liquidationserlös, sind allerdings mit einem geringeren wirtschaftlichen Risiko verbunden. Zudem umfassen sie, mit Ausnahme grundlegender Informations- und Einsichtsrechte, keine Mitwirkungs- und Stimmrechte der Unternehmenswert-Beteiligten. Innovativen Unternehmen und Start-Ups soll auf diesem Weg vereinfacht ermöglicht werden, ihre Mitarbeiter am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens Teilhabe zu lassen, ohne ihnen die vollen Rechte und Pflichten von Gesellschafter einzuräumen.
Im Hinblick auf die Vereinfachung der Mitarbeiterbeteiligung ist auf einen Unternehmenswert-Anteil lediglich ein Mindestbetrag von 1 Cent zu leisten. Zudem sind Unternehmenswert-Beteiligte nicht wie Gesellschafter im Firmenbuch einzutragen, sondern bloß in einer von der Geschäftsführung geführten Anteilsliste aufzunehmen. Insgesamt dürfen solche Anteile bis zu einem Ausmaß von 25 % des Stammkapitals ausgegeben werden.
5. Notariatsaktslose Anteilsübertragung
Von der Wirtschaft seit Langem als Hürde für ausländische Investoren bemängelt, sieht die neue Gesellschaftsform eine Alternative zur notariatsaktpflichtigen Übertragung von Gesellschaftsanteilen vor: Künftig können diese auch durch Errichtung einer Privaturkunde – welche nicht den strengen Formvorschriften des Notariatsakts entsprechen muss – vor einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin errichtet werden. Hierbei unterliegen Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen spezifischen Belehrungs- und Prüfpflichten, die mit jenen des Notariatsakts vergleichbar sind. Die Möglichkeit der Anteilsübertragung durch einen Notar bleibt alternativ offen.
Im Gegensatz der vereinfachten Möglichkeit der Anteilsübertragung konnte sich der Gesetzgeber nicht dazu durchringen, auch die erstmalige Errichtung der FlexKap in Form einer Privaturkunde durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin zuzulassen. Dass dies für Anteilsübertragungen offen steht, nicht aber für den erstmaligen Gründungsakt, erscheint als inkonsistent.
6. Weitere Vorteile der FlexKap und beabsichtigte Änderungen des Gesellschaftsrechts
Um über weitere Vorteile der FlexKap und sonstige Änderungen, die das Gesellschaftsrecht erfahren wird, zu lesen, können Sie hier die Vollversion unseres Artikels abrufen.
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