Es ist daher erforderlich, einmal mehr die tatsächlichen Zahlen der KFZ-Versicherer, der Statistikbehörde, Kraftfahrtbundesamt und anderen anzuschauen. Nach Angaben des ADAC ist der Anteil der Unfallbeteiligungen von Senioren mit 12,3 Prozent unterdurchschnittlich. Sie machen immerhin 21 Prozent an der Gesamtbevölkerung aus.
Beim Stat. Bundesamt konnte in Erfahrung gebracht werden, dass die Steigerung der Kohorte 65 + von 2011 bis 2017 um 6,6 %, größer geworden ist, was in den kommenden Jahren noch zunehmen wird. Das erklärt auch, dass es mehr Senioren gibt, die Kraftfahrzeuge kaufen und fahren. Hinzu kommt, dass Frauen vermehrt einen Führerschein besitzen, als die vorherigen Generationen.
Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) verzeichnete von 2010 bis 1.1.2019 eine Steigerung von 12,8 % = 5,36 Mill. PKW’s. Der Anteil der KFZ-Halter über 65 Jahren beträgt per 1.1.2018 ca. 17,5 %. Es ist unausweichlich, dass es mehr Verkehrsunfälle dieser Gruppe geben wird.
Gerade in ländlichen Gebieten aber auch in den Randgebieten der Großstädte, in denen der öffentliche Nahverkehr deutlich vernachlässigt worden ist, wollen die Älteren weiter mobil und unabhängig sein. Einen Verzicht auf ihren PKW werden die Senioren nicht akzeptieren, da die Alternativen in keiner Weise einen Ersatz darstellen.
Unterstellt wird dabei oft eine Beeinträchtigung der Generation 65+. Sofern Senioren körperliche Einschränkungen haben und sie werden auffällig, muss das überprüft werden, ob der Verkehrsteilnehmer noch fahrtüchtig ist oder nicht. Um einer Diskriminierung der älteren Generation vorzubeugen, muss diese Prüfung alle Fahrzeugführer umfassen. Es ist im Interesse der Verkehrssicherheit unabdingbar, dass alkoholsüchtige, tablettenabhängige oder psychische aufgefallene Personen mit geistigen oder körperlichen Mängeln am öffentlichen Straßenverkehr auf ihre Verkehrstauglichkeit geprüft werden. Dass Alter alleine kann nicht das Merkmal sein, dass jemanden die Mobilität genommen wird und darum nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann.
Unfallverursacher nach Altersgruppen | |||||
Altersgruppen | 18-24 | 25-49 | 50-64 | 65-74 | 75+ |
Verursachte Verkehrsunfälle | 10,5% | 36,5% | 15,2% | 6,6% | 6,2% |
Bevölkerungsanteil | 8,7% | 35,5% | 20,1% | 9,8% | 11,2% |
Quelle: Polizei Bremen, Verkehrsunfallentwicklung 2018 |
Die beispielhafte Aussage der Polizei Bremen zur Verkehrsunfallentwicklung 2018, dass die Senioren als Verursacher, wie auch als Beteiligte nicht auffällig sind, spricht für sich. Man fragt sich aber, warum werden dann Einzelbeispiele so dramatisch und emotionell hochgespielt und Senioren als „Sündenböcke“ dargestellt, was eine deutliche Diskriminierung darstellt. Am Beispiel der PKW-Fahrer als Hauptverursacher an Unfällen mit Personenschäden weisen die Fakten deutlich aus, dass die Generation 65+ keineswegs die bedeutendste Risikogruppe darstellt.
In der Presse werden Unfälle mit Senioren nicht nur oft einseitig dargestellt werden, sondern auch deren statistische Bedeutsamkeit. Die Statistik der KFZ-Versicherer weist aus, dass die jungen und alten KFZ-Halter deutlich weniger Schäden verursachen und der Schadenaufwand in Euro gleichfalls geringer ausfällt. Bundesweit sind die Pkw-Fahrer über 65 Jahren als Hauptverursacher an Verkehrsunfällen nur zu 0,08% am Bestand der PKW beteiligt. Für die jungen Fahrer liegt das Risiko bei 0,085%. Die restlichen PKW-Halter sind mit 0,301 an den Hauptverursachern beteiligt, also dem 3,8-fachen!
Es ist eine Binsenwahrheit, dass fast alle Menschen überwiegend im Alter sterben. Der Unterschied für die Fitness im Alter ist, dass der Alterungsprozess mal schneller oder langsamer voranschreitet. Insofern kann man zu Recht keine starren Altersgrenzen einziehen, sondern nur bei Auffälligkeiten in jedem Alter die Fahreignung abwägen.
Die KFZ-Versicherer belegen die KFZ-Halter über 65 Jahren mit Zuschlägen zu den KFZ-Prämien ohne die meist jahrzehntelangen unfallfreien Zeiten zu berücksichtigen. Das beginnt bei etwa 8 % bei den 65jährigen und erreicht bei den 80jährigen zirka 100 %. Mit diesem Zuschlag erwirtschaftet die Assekuranz jährlich zirka 600 Millionen Euro zu ihren Gunsten.
Im Schadenfall werden die Senioren trotz der hohen Zuschläge zur Prämie zurückgestuft, wie alle anderen auch.
Ein kritisches Hinterfragen der Tarife fand offensichtlich bisher nicht statt. Die vom Gesetz vorgesehene Aufsichtsbehörde, die Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), hat seit ca. 10 Jahren diese Problematik nicht hinterfragt, obwohl sie es nach den gesetzlichen Vorgaben müsste. Durch eine vom Bundestag angenommene Petition Anfang des Jahres wurde die BaFin jetzt neu veranlasst.
Nebenbei bemerkt, die KFZ-Versicherer haben bis heute keine fundierte Begründung für das Einsammeln der Zuschläge zur KFZ-Prämie bei den Senioren entsprechend dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) abgegeben.
Der Alterszuschlag in der KFZ-Versicherung wird ausdrücklich von den Senioren als diskriminierend angesehen. Trotz unfallfreien Fahrens von mehr als 35 Jahren werden ab 65 Jahren bis zu ca. 100% als Zuschläge zu der Prämie erhoben. Durch nicht eindeutige Vorschriften der in Frage kommenden Gesetze nutzt die Versicherungswirtschaft den Zuschlag für ihre Gewinnerzielung auf Kosten der älteren und unwissend gehaltenen Verbraucher. Eine Änderung der gesetzlichen Vorgaben wurde durch Petitionen angestrebt, was vom Deutschen Bundestag befürwortet worden ist.
Die BaFin hat auf Nachfrage keine Auskünfte erteilt, ob unabhängige Sachverständige, Verbraucherschützer usw. an der Entwicklung einer diskriminierungsfreien Tarifierung der Kfz-Prämien mitwirken. Von daher müssen alle KFZ-Halter über 65 Jahren große Sorgen haben, dass deren berechtigte Belange erneut nicht berücksichtigt werden.